Im Blog findest du Beiträge zu kürzeren Touren und Overnightern, zu Ausrüstungsentscheidungen oder zu Themen wie Angst oder mentale Vorbereitung.
Im Zelt in einer verschneiten Landschaft zu sitzen, ist ein überwältigendes Gefühl. Es macht mich leise und ehrfürchtig. Die Stille ist so gross. Die Ruhe in mir nimmt zu. Ausserhalb von mir ist Kälte, sie macht Luft erlebbar wie selten sonst. Kälte füllt meine Nase und meinen Mund, sie dringt in jede Ritze zwischen Hose und Jacke, umklammert meine Finger, wenn ich die Handschuhe ausziehe. Manchmal fühle ich, wie kalt meine Augenlider sind. Zwischen mir und der Erdoberfläche liegt ein Meter Schnee. Ich befinde mich also höher in dieser Landschaft als im Sommer. Ich schaue in diese Landschaft und bin fassungslos, dass ich Mensch hier klarkomme. Natürlich brauche ich eine Menge Ausrüstung, und deshalb denke ich, eigentlich ist es nicht so gedacht. Menschen sind dafür gedacht, in ihren Dörfern zu bleiben, über ihre geräumten Strassen zu gehen. Und gleichzeitig haben wir Dinge erfunden, mit denen wir über diesen Schnee laufen und draussen in der Nacht überleben können. Das kommt mir eindrücklich und ein bisschen krass und wie etwas vor, das ich irgendetwas eines ausgewischt hätte. Dem Winter vielleicht? Oder dem Menschsein?
Winterzelten ist für mich eine auf die Spitze getriebene Erfahrung. Während in den anderen Jahreszeiten manches verzeihlich ist, sollte man im Winter und bei Schnee keine Fehler machen. Was ich in den letzten fünf Jahren übers Winterzelten gelernt habe, liest du in den folgenden Abschnitten. Der folgende Text bildet meine Erfahrungen. Das sind keine allgemein gültigen Empfehlungen.
Ausrüstung
Natürlich ist es wichtig, einen warmen Schlafsack oder Quilt und eine passende Isomatte zu haben. Wer zum ersten Mal im Schnee zeltet oder das nur mal ausprobieren will, kommt auch gut mit zwei normalen Schlafsäcken und zwei Isomatten zurecht. Ich trage eine Thermosflasche mit mir, damit ich tagsüber warmen Tee habe. Die letzten Schlucke Tee spare ich für abends, wenn ich aufgestellt und eingeräumt habe. Dann trinke ich den noch warmen Tee, bevor ich mich der Zubereitung des Abendessens widme. Ebenfalls nehme ich eine Nalgene-Flasche (0.5l) als Bettflasche mit. Mit heissem Wasser gefüllt kann ich meine feuchten Socken drüberstülpen und so trocknen. In der Nacht bietet sie eine externe Wärmequelle.
Die dicken Handschuhe trage ich tagsüber beim Wandern. Daneben nehme ich jeweils dünne Handschuhe mit, mit denen ich Heringe festmachen, das Zelt aufstellen, mich umziehen, das Zelt einrichten und im Notfall auch kochen und essen kann. Meine Finger werden sonst manchmal so kalt, dass ich sie nicht mehr richtig nutzen kann. Drei-Saison oder Wintergas lohnt sich – gerade bei Temperaturen ab -10 Grad.
Prozesse
Die Kälte, der Schnee und die Tatsache, dass ich oft weit weg bin von der nächsten Strasse und der Weg dahin im hohen Schnee sehr lange dauern kann, macht gut durchdachte Prozesse viel wichtiger als im Sommer. Ich achte beim Wandern darauf, dass ich möglichst weder schwitze noch friere. Das heisst im Extremfall alle paar Minuten etwas an- oder ausziehen (Mütze, Buff, Handschuhe) und Jacke auf- oder zumachen. Verschwitzte Kleidung kühlt den Körper aus und ist schwierig zu trocknen. Schlimmstenfalls gefriert sie über Nacht. Damit ich nicht auskühle, mache ich kaum Pausen. Natürlich kann ich an einem besonnten, windstillen Ort eine Weile bleiben, aber wenn es keine Sonne hat, sind 10 Minuten obere Grenze. Ich esse beim Laufen.
Liegt viel Schnee, kann ich manchmal kaum den Rucksack abstellen, ohne dass er nass wird. Was nass wird, gefriert und wird nicht mehr trocknen. Das betrifft auch die Handschuhe, die ich möglichst trocken behalten will. Das ist besonders ein Thema, wenn ich abends einen Platz zurechtstampfe für das Zelt. Manchmal wäre es praktischer, mit den Handschuhen den Schnee zu bewegen, aber dann werden sie nass. Also mache ich das mit den Schneeschuhen oder manchmal mit den Schuhen, wenn diese sowieso schon nass sind.
Alles geht langsam im Winter. Das kostet Zeit und Nerven, aber es verlangsamt auch das Denken, habe ich den Eindruck. Ich überlege viel genauer, was tue ich als nächstes und welche Gegenstände ich dafür benötige.
Kälte
Ist dir nie kalt, wenn du im Winter zeltest, fragen die Leute. Ich wiege den Kopf und denke: Definiere „kalt“. Natürlich ist mir kalt, wenn ich ohne Handschuhe etwas mache. Oder wenn ich pinkeln muss. Und manchmal fröstle ich und frage mich, ist mir kalt? Wenn man sich für mehrere Tage und Nächte nach draussen begibt, bekommt Kälte eine Plastizität. Es ist nicht einfach kalt, sondern die Luft hat unterschiedliche Qualitäten, sie ist mal schneidend kalt und mal fast weich. Manchmal schmerzen die Finger jede Sekunde, die sie ohne Handschuhe verbringen und manchmal gar nicht. Es kann tagsüber -3 Grad sein und als die Temperatur in der Nacht auf -6 sinkt, merke ich den Unterschied. Oft aber weiss ich gar nicht, wie kalt es ist. Wind spielt eine grosse Rolle – und den Abkühlungseffekt durch Wind muss man unbedingt im Auge behalten. Deshalb gilt, immer im Windschutz gehen oder das Zelt aufstellen, wenn es möglich ist. Auch hohe Luftfeuchtigkeit macht die gefühlte Temperatur kälter. Oft sitze ich im Zelt, schaue dem Frühstück beim Kochen zu und denke, es ist gar nicht kalt. Manchmal muss ich nachts Wärme aus dem Quilt ablassen, weil mir so warm ist. Diese Zustände können sich rasch ändern. Deshalb muss man aufmerksam bleiben und die Veränderungen früh genug bemerken.
Faulheit zahlt sich nicht aus: Manchmal bin ich zu faul, nach dem Zurechstampfen eines Platzes für mein Zelt, was noch als körperliche Aktivität durchgeht, die Daunenjacke anzuziehen. In den 10 Minuten, die ich für das Aufstellen des Zeltes und dafür benötige, die wichtigen Sachen aus dem Rucksack reinzulegen, damit ich drinnen einrichten kann, kann ich nämlich je nach Bedingungen so abkühlen, dass ich kaum wieder warm werde. Und da es nun bald dunkel wird und über einen Meter Schnee hat, kann ich auch nicht einfach noch eine Weile draussen herumrennen.
Lange Nächte
Zum Glück habe ich Podcasts noch vor dem Winterzelten entdeckt. Denn die Nächte sind lang. Es kann gut sein, dass ich gegen 14 Stunden im Zelt bin. Einrichten, umziehen und kochen dauert im Winter länger. Dennoch bleibt daneben sehr viel Zeit. Zu Beginn nahm ich jeweils noch meinen Reader mit. Stellte aber fest, dass ich meine Hände der Kälte wegen im Schlafsack behalten möchte. Und mit der Nase kann man auch nicht mehr blättern, weil diese zu kalt ist. Nun schaue ich manchmal einen Film oder noch lieber höre ich einen Podcast. Und ich versuche, viel zu schlafen, weil die Tage anstrengend sind.
Schnee
Im Winter bin ich vor allem im Jura unterwegs, weil es dort kaum Lawinen gibt. Auf den Höhen sind mehr als ein Meter Schnee keine Seltenheit. Abgesehen von genutzten Strassen und offiziellen Winterwanderwegen läuft man also fast immer im hohen Schnee. Schneeschuhe sind hier unerlässlich, sonst kommt man nur mit ungeheurem Kraftaufwand voran. Meine wichtigste Erkenntnis im Zusammenhang mit Schnee ist: demütig bleiben. Dasselbe gilt auch für Schlamm, Sand oder ähnlich herausfordernde Materialien. Wenn ich mich im Schnee beeilen will, verausgabe ich mich sofort und verliere sehr viel Energie. Vorankommen kann ich nur, wenn ich langsam und stetig kleine Schritte mache.
Schnee hat sehr unterschiedliche Beschaffenheiten. Der lockere Neuschnee ist so leicht, dass man zwar tief einsinkt, aber der Kraftaufwand überschaubar bleibt. Dieser Schnee bleibt auch kaum an Kleidung hängen, macht sie also nichts nass. Auf der anderen Seite gibt es feuchten Schnee, von dem man mit jedem Schritt einige Kilo mit den Schneeschuhen hochhebt. Mal ist die Oberfläche gefroren, so dass man gut drüberlaufen kann, mal bricht man immer wieder ein. Das wirkt sich auch auf die Zeit aus, die man für das Bereitstellen des Camps braucht. Auf meiner eindrücklichsten Tour hatte ich am Tag bisweilen eine halbe Stunde für ein paar hundert Meter. Und am Abend lief ich fast zwei Stunden auf der Fläche herum, auf der ich zelten wollte. Im Schnee passiert einfach nichts schnell. Und im Winter geht es absolut darum, Kräfte zu sparen. Man darf im Winter nicht an die Grenze gehen, das kann heikel sein – wenn zum Beispiel eine Verletzung und Wind Chill zusammenkommen, kann man auch im Schweizer Jura sterben.
Ernährung
Mir ist rasch aufgefallen, wie viel Energie das Gehen in Schnee und Kälte kostet. Deshalb muss ich beträchtlich mehr Essen einplanen pro Tag als im Sommer. Während ich im Sommer mit 2500 kcal und ca. 750g Nahrung pro Tag rechne, sind es im Winter meist über 3000 kcal und über ein Kilo Essen. Das beschränkt meine Reichweite: Ich kann maximal für 3-4 Tage Essen mittragen.
Frühstück: Porridge mit getrockneten Früchten, Schoko-Kaffee
Abendessen: Nudelsuppe und Dessert (Snickers, Schokolade etc.)
Da ich keine richtige Pause mache tagsüber, snacke ich durch: Chips, Kuchen, vegane Landjäger, Käse, M&Ms
Es kann also sein, dass ich praktisch dauernd esse und trotzdem ständig Hunger habe. Abends im Zelt kann auch eine Quicksoup helfen, den ersten Hunger nach dem Zurechtmachen des Platzes und dem Aufstellen zu besänftigen.